Eva Veronesi hat eine Leidenschaft für Stechmücken
Die Insektenforscherin Eva Veronesi befasst sich am Institut für Parasitologie der Universität Zürich unter anderem mit eingeschleppten Blutsaugern, die Mensch und Tier mit exotischen Viren anstecken können.
Eva Veronesis Begeisterung für ihr Forschungsobjekt ist für Laien zunächst schwer nachvollziehbar. Sie befasst sich seit über 25 Jahren und mit ungebrochener Leidenschaft mit blutsaugenden Mücken (Stechmücken und Gnitzen). Die Asiatische Tigermücke hat es ihr besonders angetan – ausgerechnet diese Exotin, die sich im Südtessin bereits etabliert hat, gelegentlich auch nördlich der Alpen beobachtet wird und tropische Krankheiten übertragen kann. Schaut man sich jedoch Nahaufnahmen der Aedes albopictus an, wie die Asiatische Tigermücke wissenschaftlich bezeichnet wird, versteht man die Faszination der Insektenforscherin. Die mikroskopischen Aufnahmen zeigen eine filigrane, geradezu feenhafte Gestalt mit einem schwarz-weiss geringelten Leib. Auch die sechs langen, zarten Beinchen sind schwarz-weiss gestreift, am stärksten die Hinterbeine. «Die Asiatische Tigermücke ist nicht nur schön gezeichnet, sie fliegt auch sehr elegant», schwärmt Eva Veronesi. Dieses grazile Geschöpf scheint der Liebling vieler Mückenforscher zu sein. Eva Veronesi und ihre Forscherkolleginnen und -kollegen der «European Society for Vector Ecology», deren Direktorin sie fünf Jahre lang bis Ende 2018 war, gründeten einen Tigermücken-Club und tragen bei Treffen T-Shirts mit dem Bild des Insekts.
Exotische Krankheitsüberträger in Europa
So zauberhaft und harmlos dieses geflügelte Wesen aussieht: Für uns Menschen kann sein Stich gefährlich sein. Die Aedes albopictus ist ein sogenannter Vektor. Unter einem «Vektor» versteht man in der Biologie und in der Medizin einen Überträger von Krankheitserregern. Eva Veronesi erforscht als Senior Scientist am Institut für Parasitologie der Universität Zürich Mücken, die Krankheitserreger auf Mensch und Tier übertragen können. Die stechenden Weibchen ihrer Lieblingsmücke können uns zum Beispiel mit dem Zika-, dem Dengue- oder dem Chikungunya-Virus infizieren. Im Jahre 2007 trat das Tropen-Virus Chikungunya erstmals in Europa auf. Nach einer rasanten Ausbreitung in Mittel- und Südamerika wurden in Italien rund 200 Personen in kurzer Zeit mit dem Erreger infiziert, der hohes Fieber und grippeähnliche Symptome auslöst. Danach trat er auch vereinzelt in anderen europäischen Ländern auf, diesen Sommer erstmals auch in Spanien.
Globalisierung, Reisefreudigkeit, Klima- und Umweltwandel
Der globalisierte Warenhandel und die Reisefreudigkeit der Menschen haben die ursprünglich in den Tropen beheimatete Mücke und das Virus nach Europa gebracht. Auch die Klimaerwärmung und Umweltveränderungen begünstigen ihre Ansiedlung bei uns. In Teilen Italiens, Frankreichs, Spaniens oder Griechenlands gilt die Asiatische Tigermücke bereits als «etabliert», in der Schweiz befindet sich der Brennpunkt im Tessin. In der Region rund um Basel-Stadt und in Zürich wurde sie im Sommer auch schon nachgewiesen.
Für ihre Forschung ist die Insektenforscherin mit italienischen Wurzeln weltweit bekannt. Sie befasst sich nicht nur mit der Asiatischen Tigermücke, sondern auch mit der Ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti), der Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus) und mit Gnitzen (Culicoides-Arten), die unter anderem Wiederkäuer mit der Blauzungenkrankheit infizieren können. Dass sie ihr Forscherleben diesen winzigen Blutsaugern widmen würde, war am Anfang ihrer Karriere nicht klar. Eva Veronesi wollte Verhaltensforscherin werden und befasste sich zunächst mit Vögeln. Doch dann erhielt die Studentin 1995 das Angebot, bei einem Projekt für die Mückenkontrolle am Zentrum für Landwirtschaft und Umwelt Giorgio Nicoli in Bologna mitzuarbeiten. Sie befasste sich hier unter anderem mit der Aufzucht und Identifizierung von Stechmücken, Gnitzen und Schmetterlingsmücken, und sie koordinierte die Aufsicht der Stechmückenkontrolle in der Emilia-Romagna, im Piemont, der Lombardei und in Sizilien. «Vogelbeobachtung gefällt mir sehr, aber die Erforschung von Mücken, die Krankheitserreger übertragen, war die grössere Herausforderung», erzählt sie. Nach ihrem Biologiestudium spezialisierte sie sich in ihrer Doktorarbeit, die sie in Grossbritannien abschloss, auf die von Gnitzen übertragene Blauzungenkrankheit. Eva Veronesi arbeitete am renommierten britischen Pirbright Institute, bevor sie im Jahre 2014 an die Universität Zürich kam (siehe Box). «Es reizt mich bis heute, mit meiner Forschung zur Prävention von Krankheiten bei Mensch und Tier beizutragen», erklärt sie.
Wichtiger wissenschaftlicher Nachweis dank EU-Projekt
Eva Veronesi ist eine international vernetzte Forscherin. In dem gross angelegten EU-Projekt ZIKAlliance untersucht das Zürcher Institut für Parasitologie gemeinsam mit 54 Forschungsstätten auf der ganzen Welt – vor allem Universitäten und Gesundheitsinstitutionen –, ob die Asiatische Buschmücke ebenfalls das Zika-Virus zu übertragen vermag. In die Erforschung des Zika-Virus und dessen Übertragung investierte die Europäische Union, nachdem sich eine Zika-Epidemie im Mai 2015 von Brasilien aus über viele Länder in Süd- und Mittelamerika ausdehnte. Eine Infektion ist insbesondere für Schwangere gefährlich, da sie beim Fötus zu schweren Missbildungen führen kann. Die Bilder von Babys, die wegen des unterentwickelten oder missgebildeten Gehirns mit deformierten Köpfchen auf die Welt kamen, hatten auch Europa aufgeschreckt. Koordiniert wird das anspruchsvolle EU-Projekt von Inserm, dem französischen Nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung.
«Die Asiatische Tigermücke ist
nicht nur schön gezeichnet,
sie fliegt auch sehr elegant.»
Bislang betrachtet man die Ägyptische Tigermücke als Hauptvektor für die Übertragung des Zika-Virus. Diese Mückenart konnte sich in Mitteleuropa bislang wegen der kalten Winter nicht ansiedeln. Eva Veronesi und ihr Team untersuchen im Rahmen des EU-Projekts nun, ob auch die Asiatische Buschmücke das Virus übertragen kann. Diese Mückenart hat sich vor gut zehn Jahren auch in Europa inklusive der Schweiz niedergelassen. Das Team um Eva Veronesi sammelte an zwei Standorten in der Schweiz Mückeneier und liess daraus im Labor Mücken entwickeln. Dann fütterte es die Mücken mit Blut, das mit dem Zika-Virus infiziert war. Lässt sich das Virus später im Speichel der Mücke nachweisen, gilt sie als potentieller Überträger. Das Resultat wird demnächst in einem Fachmagazin publiziert: Die Asiatische Buschmücke kann auch Zika übertragen. «Dieses Ergebnis ist von grösster Wichtigkeit», sagt Eva Veronesi. Sie freut sich, dass ihrem Team dieser wissenschaftliche Nachweis gelungen ist. «Denn das bedeutet, dass wir unser Augenmerk bei der Prävention gegen Zika auch auf diese Mücke richten müssen.»
Eva Veronesis Team konnte im Jahre 2017 auch nachweisen, dass die Asiatische Buschmücke das West-Nil-Virus übertragen kann. Die West-Nil-Krankheit tritt hauptsächlich bei Vögeln auf, kann aber auch den Menschen und Pferde treffen. Die invasive Buschmücke, die in den kühleren Gebieten Japans und Chinas beheimatet ist, wurde in den letzten Jahren durch den globalisierten Handel mit gebrauchten Autoreifen, in die sie – ebenso wie die Asiatische Tigermücke – gern ihre Eier legt, in weite Teile Nordamerikas und nach Europa verschleppt. Das West-Nil-Virus kann ebenfalls hohes Fieber und grippeähnliche Symptome auslösen; bei knapp einem Prozent der Infizierten, vor allem bei älteren Menschen, kann es zu lebensbedrohlichen Gehirnhaut- und Gehirnentzündungen kommen. Die Forschung am Institut für Parasitologie hat weiter ergeben, dass die Asiatische Buschmücke auch das Dengue-Virus, welches zur gleichen Gattung gehört wie das Zika- und das West-Nil-Virus, übertragen kann.
Präventionsmassnahmen gefordert
Müssen wir also künftig auch in der Schweiz, überhaupt in Europa, vermehrt mit Tropenkrankheiten rechnen? Die Insektenforscherin beruhigt zumindest ein bisschen. «Die Mücke trägt das Zika- oder Dengue-Virus nicht von Natur aus in sich. Sie muss zuvor einen kranken Menschen gestochen haben. Erst dann kann sie mehrere Menschen infizieren.» Obwohl in der Schweiz bereits viele Personen gezählt wurden, die das Zika-Virus in sich trugen, waren alle Fälle importiert; das heisst, diese Personen haben sich im Ausland angesteckt. Da sich in der Schweiz nur wenige Menschen mit diesen Viren auf einer Reise angesteckt hätten, sei das Risiko einer Übertragung derzeit gering. Bisher gab es noch keine Personen, die in der Schweiz durch eine exotische Mücke mit Zika, Dengue oder Chikungunya angesteckt wurden. Es sei aber wichtig, Massnahmen zu ergreifen, betont Eva Veronesi, um die sich ausbreitenden exotischen Mückenpopulationen zu überwachen, auf Krankheiten zu kontrollieren und dezimieren zu können. Für sie reagiert die Politik in Europa noch zu zurückhaltend auf die neuen potenziellen Krankheitsüberträger. Dabei könne man mit einem Monitoring, vernetzter Zusammenarbeit und vorausschauender Vorbereitung «die Risiken minimieren». So entwickeln sich die Larven dieser Vektoren in wassergefüllten Gefässen – in Blumentöpfen und Untersetzern, Regentonnen – aber auch in Autoreifen. Als im Jahre 2016 auf dem Carparkplatz des Hauptbahnhofs und im vergangenen Jahr in Wollishofen Asiatische Tigermücken auftauchten, ergriff die Stadt Zürich rasch Massnahmen: Sie zog ein Monitoring mit Mückenfallen auf, breitete an Brutorten einen biologischen Wirkstoff aus, der die Mücken abtötet, informierte die Anwohner und bat sie, nicht mit Wasser gefüllte Gefässe draussen stehen zu lassen.
EU schenkt Ausbildung und Forschungsmaterialien
Diese Art der Kontrolle, Prävention und Aufklärung ist auch das Ziel des EU-Projekts Infravec2, in dem Eva Veronesi ein Arbeitspaket leitet. Das internationale und interdisziplinäre Vorhaben mit rund 24 Partnern ist ein Infrastrukturprojekt von Horizon2020. Infravec2 bietet über eine Website einen kostenlosen Zugang zu Produkten und Dienstleistungen für die Forschung über Insektenvektoren. Für dieses Projekt reist Eva Veronesi viel, denn die kostenlosen Materialien und Dienstleistungen sollen vor allem Ländern zur Verfügung gestellt werden, die sie am meisten benötigen, aber für den Kampf gegen die Krankheitsüberträger am wenigsten gut ausgerüstet sind, wie zum Beispiel afrikanische oder lateinamerikanische Länder. Sie ist für das Infravec2-Projekt als Beraterin unterwegs, gibt Wissenschaftlern auch Kurse in Diagnostik, ermutigt sie, ihre Labors mit neuen Forschungsmaterialien aus dem EU-Programm zu erweitern und sie zeigt Regierungen Präventionsmassnahmen auf. Die EU hat für diese Dienstleistungen und Materialien zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Eva Veronesi ist begeistert von den beiden EU-Projekten. Beim Grossprojekt ZIKAlliance arbeitet sie als Insektenforscherin erstmals vertieft mit Medizinerinnen und Medizinern zusammen. «Wir hegen einen grossen Respekt, ja geradezu Bewunderung für einander – ich lerne enorm viel von den Medizinern», erzählt sie. Und das Infravec2-Projekt macht ihr Freude, weil es sich um die konkrete Anwendung kümmert. «Es ist schön, wenn man sieht, dass die eigene Forschung den Menschen einen Nutzen bringt; wenn man als Forscherin mithelfen kann, Epidemien zu vermeiden.» Sie wünschte sich bloss, dass die Regierungen – auch jene in Europa – erkennen würden, wie wichtig es wäre, in die Prävention zu investieren, sagt sie. Zu ihren Aufgaben in diesem Projekt gehört deshalb vor allem die Verbesserung der Kommunikation zwischen der Wissenschaft und den Regierungsstellen, die Umsetzung von Kontrollmethoden in Entwicklungsländern und die Verbreitung von Wissen über die Krankheiten, die der Stich einer Mücke auslösen kann.
Interview mit Eva Veronesi (englisch)
Eva Veronesi
Eva Veronesi ist Insektenforscherin (Entomologin) und befasst sich mit jenen Insekten, die Viren auf Mensch und Tier übertragen können. Sie begann ihre Arbeit in diesem Bereich 1995 am Centro Agricoltura Ambiente «Giorgio Nicoli» (Italien) und beschäftigte sich ab 2002 am Pirbright Institute in Grossbritannien zwölf Jahre lang mit dem Blauzungenkrankheitsvirus und den Übertragungsmechanismen von Culicoides-Arten. Sie promovierte am Royal Veterinary College of London. Seit 2014 arbeitet sie als Senior Scientist am Nationalen Zentrum für Vektor Entomologie des Instituts für Parasitologie der Universität Zürich. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt als Gruppenleiterin auf dem Interaktionsmechanismus von Arboviren und Vektoren. Als Arboviren (Akronym für den englischen Ausdruck «arthropod-borne viruses») bezeichnet man Viren, die durch Arthropoden (Gliederfüsser wie Mücken und Zecken) übertragen werden. Das Zentrum und ihre Arbeit werden unter anderem vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) unterstützt. Eva Veronesi ist beteiligt an den beiden aus dem EU-Rahmenprogramm Horizon2020 finanzierten Projekten ZIKAlliance (Fördervereinbarung Nr. 734548) und Infravec2 (Fördervereinbarung Nr. 731060).
Horizon2020-Projekte
ZIKAlliance: A Global Alliance for ZIKA Virus Control and Prevention
- Projektart: Kollaboratives Projekt
- Dauer: 48 Monate, 54 Partner
- Beitrag für die Universität Zürich: 175’813 CHF
Infravec2: Research capacity for the implementation of genetic
control of mosquitoes-2
- Projektart: Kollaboratives Projekt
- Dauer: 48 Monate, 24 Partner
- Beitrag für die Universität Zürich: 185’000 €