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Horizon Europe und die Schweiz – der Zwischenstand

Am 14. Juli jährte sich zum zweiten Mal der Ausschluss der Schweiz aus den Rahmenprogrammen der EU für Forschung und Innovation – aktuell Horizon Europe. Philipp Langer, Leiter des Ressorts Internationale Programme Forschung und Innovation beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), erklärte im Juni im Gespräch, wo die Schweiz heute steht.

Herr Langer, seit Juli 2021 ist die Schweiz nicht mehr assoziierter Staat bei den Rahmenprogrammen der EU für Forschung und Innovation. Wo stehen wir in dieser Situation heute?

Philipp Langer: Die Situation hat sich einigermassen eingependelt – allerdings nicht dort, wo wir es gerne hätten, nämlich dass wir schnell wieder die Assoziierung gefunden hätten. Aber wir haben geordnete Verfahren aufgebaut, damit sich die Schweiz als Drittstaat an Horizon Europe so gut wie möglich beteiligen kann. Wir können die Forschenden besser unterstützen als im Jahr 2014, als die Schweiz kurzfristig die Assoziierung verlor. Damals brach die Beteiligung der Forschenden an den EU-Programmen um die Hälfte ein – heute verzeichnen wir eine hohe Nachfrage nach den Bundesmitteln. Dies auch dank Partnern wie EU GrantsAccess, die die Forschenden bei den Eingaben unterstützen.

Was konnten Sie gegen den Wegfall der EU-Forschungsgelder schon unternehmen? 

Das Geld, das die Schweiz bis 2021 an die EU zahlte, geht heute direkt an Forschende in der Schweiz. Es steht den Forschenden also auch ohne die Assoziierung zur Verfügung. Was wir damit aber nicht ersetzen können, ist die direkte und gleichberechtigte Teilnahme in den europäischen Netzwerken und den damit verbundenen Wettbewerb. Wir können so den Schaden abdämpfen, aber dies ist natürlich nicht vergleichbar mit einer Assoziierung.

Wer oder was könnte weiterhelfen, um die Situation zu verbessern?

Auf der Forschungsebene haben wir alles versucht – und da haben wir Support. Staatssekretärin Martina Hirayama hat kürzlich an einem informellen Ministerratstreffen der Forschungs- und Innovationsminister teilgenommen. Etliche EU-Staaten haben dort gefordert, dass die Schweiz so schnell als möglich wieder assoziiert werden soll. Aber wenn wir auf der übergeordneten, politischen Ebene keine Lösung haben, geht in der Forschungszusammenarbeit wenig. 

Und wie weit ist eine Lösung entfernt?

Die EU hat die Lösung der institutionellen Fragen politisch mit der Assoziierung der Schweiz an die laufenden EU-Programme verknüpft. Das bedauern wir ausdrücklich. Eine möglichst rasche Assoziierung der Schweiz bleibt weiterhin das erklärte Ziel des Bundesrates. Die Assoziierung ist auch Gegenstand der aktuellen Gespräche mit der EU im Rahmen des Paketansatzes.

Kürzlich hat der Bundesrat erneut Horizon Europe traktandiert. Worum ging es da?

Es ging um die dritte Generation der sogenannten Übergangsmassnahmen. Die EU legt jedes Jahr Forschungsthemen in allen Themenbereichen – Energie, Umwelt, Gesundheit, Weltraum und so weiter – fest und macht entsprechende Ausschreibungen. Für die jährlichen Ausschreibungen 2021, 2022 und nun auch 2023 hat der Bund Übergangsmassnahmen ergriffen. 

In all den Programmteilen, in denen die Forschenden noch Projekte einreichen können, aber kein Geld seitens EU bekommen, erhalten die Forschenden nach positiver Evaluation durch die EU die entsprechende finanzielle Unterstützung vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und vom SBFI. Dies läuft auf Hochtouren. Es gibt zum Beispiel eine Initiative für Halbleiter-Forschung im ETH-Bereich, Mittel für die Fusionsforschung für ITER, eine Initiative zu High Performance Computing (HPC) am CSCS in Lugano sowie Mittel für Quantenforschung. 

Um die EU-Instrumente für einzelne Personen (ERC Grants) oder Firmen (EIC Grants) zu ersetzen, von denen die Schweiz komplett ausgeschlossen ist, finanziert das WBF / SBFI möglichst ähnliche Instrumente beim Schweizerischen Nationalfonds und der Innosuisse. Die jährlich gut über 600 Millionen Franken, mit denen wir uns an den EU-Rahmenprogrammen beteiligt hätten, geben wir also für all diese Massnahmen aus.

Warum wird dieses Geschäft für das laufende Jahr erst jetzt behandelt?

Wir hatten gehofft, dass wir bald wieder assoziiert werden. Daraus wurde nichts. Deshalb hat der Bundesrat die Gelder jetzt umverteilt. Der Bundesrat hat auch beschlossen, die Übergangsmassnahmen bis zur Assoziierung der Schweiz über die gesamte verbleibende Programmgeneration von Horizon Europe bis ins Jahr 2027 am Horizon-Paket weiterzuführen.

Was wären denn Alternativen?

Einzelne Länder sind an einer Zusammenarbeit mit der Schweiz interessiert, etwa das Vereinigte Königreich – aber meistens nur in bestimmten Bereichen. 

Und wie geht es jetzt weiter?

Die Assoziierung an Horizon Europe ist das prioritäre Ziel des Bundesrates. Wir hoffen, dass Fortschritte in den institutionellen Fragen möglichst bald die Türen öffnen werden. 

Im besten Fall wird die Schweiz also im Jahr 2024 wieder assoziiert?

Dies ist auf jeden Fall das Ziel.

Philipp Langer im Gespräch mit Gabrielle Attinger
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