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WIDENING – Der vierte Pfad

Wer für seine Forschung Geld aus dem Programm Horizon Europe möchte, bewirbt sich normalerweise um einen ERC Grant bzw. um ein Marie Skłodovska-Curie Fellowship, reicht mit Forschungspartnern ein kooperatives Projekt ein oder beantragt Mittel für einen Beitrag zur Stärkung der Innovationsfähigkeit Europas. Doch Horizon Europe bietet neben diesen drei klassischen Wegen einen vierten Pfad zu Forschungsgeldern – das Teilprogramm Widening*. Was es damit auf sich hat und warum Widening für Forschende eine attraktive Option ist, erläutern Sofia Karakostas und Sia Gosheva-Oney von EU GrantsAccess im Gespräch mit Rolf Probala.

«Beteiligung erweitern und den Europäischen Forschungsraum stärken», lautet die volle deutsche Bezeichnung des Teilprogramms Widening. Worum geht es? 

Sofia Karakostas (S.K.), Co-Head EU GrantsAccess / In der wissenschaftlichen Exzellenz klafft zwischen den reichen EU-Ländern im Westen und den 13 Staaten, die der Europäischen Union nach 2004 beigetreten sind, eine grosse Lücke. Widening hat zum Ziel, diese Lücke zu schliessen und Exzellenz in Forschung und Innovation in allen EU-Staaten gleichermassen sicherzustellen. Mit dem Teilprogramm will die EU dafür sorgen, dass die sogenannten Widening-Länder** eigene wissenschaftliche Exzellenz aufbauen können, so den Anschluss an Westeuropa finden und sich dann auch aktiver an den Angeboten von Horizon Europe beteiligen. 

Sia Gosheva-Oney (S.G.), Research Advisor EU GrantsAccess / Es ist ja nicht so, dass diese Länder weniger begabte Forscherinnen und Forscher hätten. Was ihnen fehlt, sind die Infrastruktur und die Institutionen und damit verbunden die Netzwerke und das Knowhow, die Exzellenz ermöglichen. Die Widening-Länder haben nicht dieselben finanziellen Mittel, die sie in Forschung und Bildung investieren können, wie die reichen Länder Westeuropas. Das Ergebnis ist ein Braindrain. Begabte Forschende suchen und finden ihr Glück in Westeuropa, Grossbritannien oder den USA. Von Widening verspricht sich die EU ein Braingain sowohl für die Widening-Länder selbst wie auch für die Staaten der Europäischen Union generell. 

Und wie soll das gehen?

S.G. / Das Widening-Programm bietet eine breite Palette von Formaten, die programmatische Titel tragen wie Twinning, Teaming for Excellence, Excellence Hubs, ERA Chairs oder Hop-on facility. Twinning richtet sich vor allem an öffentliche Verwaltungen und gemeinnützige Organisationen. Deren Expertinnen und Experten sollen durch Austauschaufenthalte auf dasselbe professionelle Niveau gebracht werden, auf dem sich ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen befinden, um dann ebenso wirkungsvoll EU-Projekte einwerben zu können. Teaming for Excellence fördert die Gründung neuer Exzellenzzentren in Widening-Ländern oder die Modernisierung bestehender Zentren mit Unterstützung führender europäischer Partnerinstitutionen. Excellence Hubs hilft, Innovationsökosysteme in Widening-Ländern und darüber hinaus zu unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Regierungen zu stärken. ERA Chairs ermöglicht Forschenden, die nach einem Auslandaufenthalt ihre wissenschaftliche Karriere an einer Institution eines Widening-Landes weiterführen möchten, gemeinsam mit dieser Institution ein Projekt einzureichen mit dem Ziel, eine nachhaltige Forschungsgruppe aufzubauen. Und Hop-on facility eröffnet Forschenden die Chance, nachträglich bei einem bereits laufenden kooperativen Forschungsprojekt einzusteigen, wenn sie dem Projekt einen Mehrwert bringen. 

S.K. / Was dieses Widening-Teilprogramm so attraktiv macht, ist der bottom-up-Ansatz. Es gibt, im Unterschied zu den kooperativen Projekten von Horizon Europe, keine thematischen Vorgaben. Wer eine Superidee für ein Forschungsprojekt hat, kann diese im Rahmen der Formate, die Sia gerade skizziert hat, einreichen. 

Heisst das, alle Forschenden in der Schweiz können Projekte einreichen?

S.K. / Grundsätzlich ja, wenn eine Verbindung zu einem Widening-Land besteht. Und da öffnet sich ein weites Feld von Möglichkeiten – insbesondere für junge Forschende, die eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben und vor dem nächsten Karriereschritt stehen. Die vielen Postdoktorandinnen und -doktoranden an der ETH Zürich und der Universität Zürich kommen aus den unterschiedlichsten Ländern. Nur ein kleiner Teil wird nach ihrem Postdoktorat hier eine Stelle finden und die Konkurrenz um Assistenzprofessuren an den renommierten Hochschulen Europas und der USA ist enorm. Eine Karriere an einer Hochschule oder einer Forschungsinstitution eines Widening-Landes bietet mit Blick auf die Unterstützung durch die EU eine attraktive Alternative. Ich denke dabei auch an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Widening-Staaten, die gerne in ihre Heimatländer zurückkehren würden, wenn sie dort eine akademische Karriere machen und mit ihrem Knowhow etwas Neues, Exzellentes aufbauen können. 

S.G. / Das Widening-Teilprogramm ist aber auch für etablierte Forschende, die neue Kooperationspartner suchen, interessant. Möglicherweise finden sie diese in Institutionen von Widening-Ländern, wodurch sich ihnen dank dem Teilprogramm neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen und sie überdies ihr Netzwerk ausbauen können. Dass sie damit zur Erweiterung der wissenschaftlichen Exzellenz in Europa beitragen, ist ein schöner Zusatzeffekt. 

Was muss jemand unternehmen, der beim Widening-Teilprogramm ein Projekt einreichen will? 

S.K. / Sich so rasch als möglich bei uns melden (About us – EU GrantsAccess | ETH Zurich). Die ersten Calls werden demnächst lanciert und weitere werden folgen. Wir beraten und unterstützen Sie gerne!

 


* «Widening Participation and Strengthening the European Research Area»

** Widening-Länder: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Kroatien, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern sowie Griechenland und Portugal.

Sia Gosheva-Oney und Sofia Karakostas
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