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Von Menschen, Weizen und Pilzen

Ein Ausbildungsprogramm – zwei Erfahrungen

Wie ein EU-Trainingsnetzwerk Doktorierende fit macht für ihre berufliche Zukunft, warum Pflanzenwissenschaftlern die Arbeit nie ausgeht und weshalb der Zugang zu EU-Forschungsprogrammen für die Schweiz essentiell ist. – Ein Interview mit Beat Keller und Markus Kolodziej.

Beat Keller

ist Professor für Molekularbiologie der Pflanzen an der Universität Zürich. In einem seiner Forschungsschwerpunkte beschäftigt er sich mit den genetischen Grundlagen der Pilzresistenz von Weizen. Die Forschungsgruppe von Beat Keller ist eine der zehn Hochschul- und Forschungspartner des internationalen Trainingsnetzwerks CerealPath, das im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie Ausbildungsprogramms von der EU finanziert wird.

Markus Kolodziej

hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München mit einem Master in Biologie abgeschlossen. Im Februar 2016 begann er sein Doktoratsstudium bei Professor Beat Keller am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich. Markus Kolodziej ist einer der 15 Doktorierenden des Projekts CerealPath.

Beat Keller, welche Bilanz des Projekts CerealPath ziehen Sie?

Das Wichtigste für mich ist, dass wir europaweit 15 Doktorierende ausbilden konnten, die wesentliche Beiträge in der Pflanzenforschung leisten. Es ist erfreulich zu sehen, wie junge Menschen, die am Anfang vom Forschungsthema wenig Ahnung hatten, drei Jahre später Profis sind und viel erreicht haben. Aber mir ist auch aufgefallen, wie unfertig viele Projekte noch sind. Viele Doktorarbeiten sind jetzt in einem Stadium, in dem man unbedingt weiterfahren und sicher ein viertes Jahr anhängen muss. Aber wenn man berücksichtigt, dass die Finanzierung des Projekts auf drei Jahre angelegt ist, dann muss ich sagen: Wir haben in diesem Zeitraum das Maximum erreicht.

Es gibt zahlreiche Ansätze, Getreidekrankheiten zu bekämpfen. Mit welchen hat sich CerealPath beschäftigt?

Pilzkrankheiten beim Weizen werden heute in Europa vor allem mit chemischen Fungiziden bekämpft. Dies ist ökologisch bedenklich und es gibt starken politischen Druck in der EU und auch in der Schweiz, den Einsatz von Fungiziden zu reduzieren. Wir müssen also andere Wege im Pflanzenschutz finden. Eine Alternative ist sicher, vermehrt auf die genetische Resistenz von Pflanzen zu setzen – also in unserem Fall Weizensorten auf Resistenz gegen Pilze zu züchten und jene Gene zu identifizieren und zu nutzen, wie Markus eines in seiner Doktorarbeit charakterisiert. Zusätzlich müssen wir aber auch nach anderen, neuen Möglichkeiten suchen. Eine weitere Alternative könnten Endophyten sein, also Pilze, die in der Weizenpflanze natürlich vorkommen, diese nicht schädigen, aber die Pflanze vor Schadpilzen schützen. Im Programm CerealPath haben wir diese ganze Palette von aktuellen Ansätzen ausgelotet, diskutiert und erforscht. 

Was hat Sie motiviert, gemeinsam mit Kollegen ein EU-Projekt zu lancieren?

Es waren unterschiedliche Motive. Das trivialste ist: Wir alle brauchen Geld, um unsere Forschungsprojekte voranzutreiben. Forschungsmittel waren für mich sicher eines der drei Hauptmotive, mitzumachen. Das zweite war der Wunsch, Teil des Netzwerks zu werden, in dem man in einem solchen EU-Projekt arbeitet. Der Wissenstransfer, der da bei den Treffen, Telefonkonferenzen und in den Doktoratskomitees erfolgt, ist enorm inspirierend. Das dritte Motiv bestand darin, dass wir alle möchten, dass in unserem Fachgebiet in Europa mehr Kompetenz entsteht, dass mehr junge Leute auf dem neusten Stand der Forschung ausgebildet werden. Das wünschen sich übrigens auch die europäischen Saatzuchtfirmen. Viele suchen heute geradezu händeringend nach kompetenten Pflanzenwissenschaftlern mit Erfahrung in der Pflanzenzüchtung. 

Wie wurden die Doktoranden für das Projekt ausgesucht?

Jede der beteiligten Universitäten schrieb auf ihrer Homepage eine Doktoratsstelle für ihr spezifisches Forschungsprojekt aus. Von Beginn an gab es aber ein gemeinsames Selektionskomitee und die Anstellung jedes Doktorierenden musste von diesem genehmigt werden. Damit wollten wir eine einheitliche Qualität sicherstellen. Ich konnte Markus also nicht einfach einstellen. Ich musste seinen CV an dieses Komitee schicken und grünes Licht für die Anstellung erhalten. Dazu kam, dass die Doktorierenden nicht aus dem Land stammen durften, in dem sich die Universität befindet, an der die Arbeit durchgeführt werden sollte. Für viele Hochschulen in Europa ist das nicht selbstverständlich. Doch diese Bedingung, Doktorierende ausserhalb des eigenen Landes zu suchen, hat eine Gruppe sehr interessanter, vielseitiger junger Leute zusammengebracht. 

Was würden Sie rückblickend an solchen EU-Traineeprogrammen optimieren?

Ich beobachte eine Tendenz in der EU, das Doktoratsstudium zu verschulen, immer mehr Kurse zu verlangen, weil man sagt, die jungen Leute brauchen noch diese und jene Skills. Anderseits müssen Doktorierende aber vor allem eine eigenständige, wissenschaftliche Arbeit durchführen, was viel Zeit erfordert. Markus war mindestens ein halbes von den drei Jahren beschäftigt mit Kursen und Workshops, zusätzlich zur experimentellen Arbeit. Ich sehe diese Tendenz zur Verschulung eher kritisch. Ein zweiter Punkt betrifft die Kursinhalte. Mir wurde in diesen drei Jahren immer klarer, dass junge Absolventen sehr gute Kenntnisse in Bioinformatik haben müssen. Ich teile daher die Einschätzung von Markus, die Ausbildung in Bioinformatik in einem nächsten Programm auszubauen. 

Gab es für Sie in diesem Projekt etwas von dem Sie sagen, das war eine Entdeckung?

Eine Entdeckung für mich waren die neuen Ansätze, Schadpilze biologisch mit Endophyten bekämpfen zu können. Man fördert gezielt Pilze, die in der Pflanze selbst leben und diese gegen Schadpilze schützen. Bis jetzt funktioniert diese Art des Pflanzenschutzes nur im Labor zuverlässig. Aber vielleicht ist sie auch im Feld möglich, auch wenn der Weg bis zur Anwendung noch weit ist.

Welche Bedeutung hat für Sie der Zugang zu solchen EU-Projekten?

Er ist für mich sehr wichtig. Wie viele andere Forschende habe auch ich gewisse Vorbehalte gegen EU-Programme, da diese mit viel Bürokratie und vielen Kontrollen verbunden sind. Aber aus meiner langjährigen Erfahrung mit EU-Projekten muss ich sagen, das Positive überwiegt deutlich. Es sind ja nicht nur die zusätzlichen Mittel, die zur Verfügung stehen. Es sind die Kontakte, der Zugang zu Wissen und Netzwerken in denen man Teil eines grösseren Ganzen ist. Für ein kleines Land wie die Schweiz ist dies essentiell. 

Politiker sagen, die Mittel könnte die reiche Schweiz ja auch selbst aufbringen.

Das stimmt, aber es reicht nicht. Natürlich wäre es eine mögliche Notlösung, wenn das Geld statt über die EU direkt zu mir ins Labor käme. Aber damit habe ich die Integration in diese Netzwerke nicht. Ich bin an einem weiteren EU-Projekt beteiligt, das wir jetzt abschliessen. In diesem Programm untersuchen über 20 Forschungsgruppen in Europa dieselben 500 Genotypen von Weizen. Jede Gruppe ist zuständig für einen Teilbereich. Durch die Zusammenarbeit ergibt sich dann der Mehrwert. Wie sollen wir so etwas machen, wenn meine Gruppe zwar mehr Geld erhält, aber nicht Partner im Netzwerk ist?

Wo sehen Sie die Zukunft des Pflanzenschutzes?

Es gibt keine einzelne Wundertechnologie, die alle Probleme löst. Wir haben es mit komplexen Ökosystemen zu tun. Grosse Möglichkeiten liegen in intelligenten Anbaustrategien, wie sie auch der Biolandbau propagiert. Aber das allein reicht nicht. Es wird in bestimmten Situationen chemischen Pflanzenschutz brauchen. Grösste Bedeutung wird künftig aber sicher der genetischen Resistenz zukommen; also Pflanzen durch gezielte Nutzung von Resistenzgenen widerstandsfähiger gegen Krankheiten zu machen. Die Frage ist nur, soll dies ausschliesslich auf konventionelle Weise erfolgen oder darf man in der Züchtung auch gentechnische Methoden wie Genome Editing oder Transgene verwenden. Sicher ist, wir brauchen eine starke Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes.

Markus Kolodziej, das Projekt CerealPath endet demnächst. Was haben Sie gelernt? 

Ich bin gewachsen an dem Projekt, indem ich mich mit den anderen 14 Doktoranden und ihren Betreuern während drei Jahren austauschen konnte. Davon habe ich enorm profitiert. Wenn ich mir vorstelle, wie ich aus meinem Master in München rausgekommen bin; das war schon eine exzellente Ausbildung, aber eben sehr lokal in München. Jetzt bin ich fähiger, weiter in die Welt hinauszugehen. 

Was hat Ihnen das Projekt denn zusätzlich gebracht?

Vor allem ein neues internationales Netzwerk. Dass ich die Kolleginnen und Kollegen und deren Betreuer, die an vielen verschiedenen Themen arbeiten, regelmässig bei Kursen und Meetings getroffen habe und den Kontakt mit ihnen aufbauen konnte – das ist der grosse Gewinn dieses Projekts. Die kennen mich jetzt und ich sie! Dazu kommt das Praktikum bei einem Partner der Industrie. Ich stand fünf Wochen auf den Versuchsfeldern des Saatgutherstellers KWS in Deutschland und habe verschiedene Weizensorten kennengelernt und auf Krankheiten untersucht, die in diesem Zeitraum gerade ausgebrochen waren. Und schliesslich die Forschungsarbeit in Zürich. Da habe ich in den letzten zwei Jahren gute Ergebnisse erzielt und ich plane, diese 2019 in einem Journal zu publizieren. 

Sie sagten, das Projekt hätte Ihnen die Welt geöffnet. In welcher Hinsicht?

Ich habe jetzt über ganz Europa hinweg gute Kontakte zu Professoren. Am Ende meines Doktorats werde ich mich nochmals genauer mit der Thematik ihrer aktuellen Projekte beschäftigen und überlegen, ob ich mich dort weiter beteiligen könnte. Ich weiss jetzt, woran die Leute arbeiten, was mich davon mehr interessiert, was weniger. Vielleicht wäre wieder ein Themenwechsel interessant. Vielleicht wäre es interessant, in einem ähnlichen Bereich zu forschen. Vielleicht wäre es auch interessant, eine Weile bei einem der Industriepartner zu arbeiten. Da eröffneten sich während CerealPath ja ebenfalls Kontakte. Aber vorerst werde ich jetzt mal mein Doktoratsprojekt abschliessen und danach weitersehen. 

Womit beschäftigen Sie sich denn in Ihrem Doktorat?

Wir untersuchen die Gene im Weizen, welche die Pflanze resistenter gegen den Pilzschädling Braunrost machen. Es geht darum, diese Gene in der Pflanze zu identifizieren, um eine gezielte Nutzung dieser Gene zu vereinfachen und auch darum, herauszufinden, wie genau sie die Pflanze vor Schädlingen schützen. 

Was hat Sie motiviert, beim CerealPath-Projekt mitzumachen?

Während meiner Masterarbeit in München habe ich mich ja bereits mit Pflanzen-Pilzinteraktionen beschäftigt, allerdings mit den symbiotischen Aspekten, also einer Interaktion, die für beide Organismen von Vorteil ist. Ich wollte nun auch die Abwehrmechanismen von Pflanzen gegen Pilzschädlinge kennen lernen und auch von der reinen Grundlagenforschung zur eher angewandten Forschung kommen. Deshalb habe ich mich für die Doktoratsstelle bei Beat Keller beworben. Dass diese auch Teil des CerealPath-Projekts war, hat mich dann zusätzlich motiviert.

Was würden Sie rückblickend an diesem Traineeprogramm verbessern?

Ich würde die vielen Kurse, die wir zu absolvieren hatten, besser über die drei Jahre verteilen. Ich kam neu als Doktoratsstudent an die Universität Zürich, hatte von nichts eine Ahnung, musste aber bald wieder weg zu den ersten Kursen. Als ich zurückkam, musste ich vieles neu starten. Doch dann stand bereits wieder der nächste Kurs an, nicht zu reden von der aufwändigen Vor- und Nachbearbeitung, die mit solchen internationalen Kursen verbunden ist. Das war am Anfang etwas schwierig – vor allem wenn man mit Pflanzen arbeitet, die Zeit brauchen, um zu wachsen und mit denen man zu bestimmten Zeiten bestimmte Experimente machen muss. Was die Inhalte der Kurse betrifft: Viele deckten sehr spannende Themen ab, wie beispielsweise der Workshop in Bioinformatik in Norwich. Leider war er sehr kurz und knapp. Mehr Ausbildung in Bioinformatik wäre etwas, das ich künftig ausbauen würde. Dagegen gab es auch Kurse, die ich eher als unnötig empfand. Vor allem Ausbildungen, die man ohnehin in der Graduate School der eigenen Universität machen kann oder muss, bräuchte man im EU-Programm nicht nochmals.

Gibt es einen Moment in diesem Programm von dem Sie sagen, das war ein absolutes Highlight?

Es ist das Team, das die Momente ausmacht, die man nicht vergisst. Die 15 CerealPath-Doktorierenden, die zusammen bei einem Konferenzdinner sitzen und sich gut unterhalten, Freundschaften aufbauen; das ist, was bleibt und mich auch weiterhin begleiten wird, sowohl professionell wie auch im Privaten. 

Was hat Sie bewogen, Pflanzenschutz zu studieren?

Man spricht ja vom «Wettrüsten» zwischen Pathogenen und Wirt über die gesamte Evolution hinweg. Ein Pilzpathogen befällt eine Pflanze als Wirt, diese entwickelt daraufhin ein Resistenzgen und wehrt den Pilz ab. Doch der Pilz überwindet diese Resistenz nach einiger Zeit wieder. Es ist unser Ziel, die verschiedenen Resistenzgene, die es in Weizenpflanzen gibt, zu entdecken und sie für die Züchtung von widerstandsfähigen, ertragreichen Sorten nutzbar zu machen. Wir sollten uns aber nicht darauf verlassen, dass diese Resistenz für immer anhält – genauso, wie wir uns nicht darauf verlassen konnten, dass die Antibiotika in der Medizin, die im letzten Jahrhundert entdeckt wurden, ihre Wirkung nicht eines Tages verlieren. Die Lehre, die ich für den Pflanzenschutz aus den Erfahrungen mit Antibiotika in der Medizin ziehe: Wir sollten nie aufhören, weiter zu forschen. Pflanzenwissenschaftlern wird die Arbeit deshalb nie ausgehen. 

Interview mit Markus Kolodziej

CEREALPATH

Weizen ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen der Menschheit. Doch eine grosse Zahl verschiedener Schadpilze reduziert die Ernteerträge jährlich um mindestens 10%, was 70 Millionen Tonnen entspricht. Das Trainingsprogramm CerealPath (Cerealpathology) vermittelt jungen Doktorierenden die neusten Erkenntnisse und Methoden, mit denen sich Erkrankungen von Weizen- und Gerstepflanzen wirkungsvoll bekämpfen lassen. Parallel zur Forschung für ihre Doktorarbeit lernen die jungen Wissenschaftler in Kursen, Workshops und Praktika neue, innovative Forschungsansätze und Techniken kennen und erhalten Einblicke in die Forschungsschwerpunkte der Projektpartner. CerealPath ist ein Trainingsnetzwerk von 22 europäischen Partnern (sieben Universitäten, drei Forschungsinstitute und elf Industriepartner bzw. nationale Landwirtschaftsbehörden), die gemeinsam eine Art Graduate School führen. Am Programm nehmen 15 junge Forschende aus Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika teil, die je an einer der beteiligten europäischen Partneruniversitäten ihr Doktoratsstudium absolvieren. Aus der Schweiz sind das Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich sowie das Zurich-Basel Plant Science Center der Universitäten Basel und Zürich und der ETH Zürich an CerealPath beteiligt. 

https://cerealpath.eu/

CerealPath wurde von der EU im Rahmen ihres Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network-Programms mit rund vier Millionen Euro finanziert. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren und endet offiziell am 31. August 2019. 

https://cordis.europa.eu/project/rcn/198261/factsheet/en

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