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So nachhaltig kann Forschungsförderung sein

EU GrantsAccess hat sich an der Universität Zürich an einem Projekt des Aktionsplans für Chancengleichheit engagiert, das Nachwuchswissenschaftlerinnen zu mehr Fördergeldern verhelfen soll. Ein Rückblick von Projektleiterin Dr. Mihaela Falub und Sibylle Hodel, der Vertreterin von EU GrantsAccess.

Sie haben am Projekt «Forschungsförderung und wissenschaftliche Karriere» des 2. Aktionsplans Chancengleichheit der Universität Zürich (UZH) teilgenommen, das eben abgeschlossen wurde. Was war dessen Ziel?

Mihaela Falub (MF): Wir hatten zwei Ziele: Erstens sollten mehr Nachwuchswissenschaftlerinnen Forschungsanträge einreichen – auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Und zweitens sollten sie bei der Einreichung noch erfolgreicher sein, also mehr Gesuche bewilligt bekommen als in der Vergangenheit.

Ist der Anteil an Frauen bei der Verteilung von Forschungsgeldern denn so niedrig?

Sibylle Hodel (SH): Ja, die Statistik hat klar gezeigt, dass die Frauen beim Einreichen der Gesuche unterrepräsentiert sind. Wenn sie aber ein Gesuch einreichen, sind sie damit ebenso erfolgreich wie die Männer. Darauf wollten wir aufbauen.

Woran liegt diese Zurückhaltung der Frauen bei der Bewerbung um Fördergelder?

MF: Es gibt sicher verschiedene Gründe. Wissenschaftlerinnen haben meist ein kleineres professionelles Netzwerk als ihre Kollegen und erfahren daher nicht früh genug, wo sie sich wann bewerben sollten.

Was haben Sie dagegen unternommen?

MF: Wir haben mehrere Podiumsdiskussionen mit Empfängerinnen eines Grants durchgeführt sowie Infoanlässe über die verschiedenen Grants. Und in Workshops vermittelten wir, wie frau einen Antrag erfolgreich einreicht. Das Interesse war riesig.

SH: Manchmal liegt die Zurückhaltung der Frauen auch nur an der Kommunikation – wir sehen dies immer wieder in unseren Beratungen. Frauen fühlen sich weniger angesprochen von den Werbungen für Grants, da häufig die Exzellenz in den Vordergrund gestellt wird und keine weiteren Kriterien, wie z.B. Führungsqualitäten, und sie sich nicht für exzellent halten. Sie sind dann oft erstaunt, dass ihr Lebenslauf sie durchaus für einen Grant prädestiniert. 

Welche weiteren Aktionen haben Sie durchgeführt?

MF: In der ersten Phase des Projektes ging es darum, die sogenannte «implicit bias», die implizite Voreingenommenheit, zu thematisieren.

SH: Genau. Wir haben einen Trainer eingeladen, um die Personen, die mit Anträgen zu tun haben, in diesem Bereich zu schulen, d.h. unsere unbewussten Verhaltensmuster aufzudecken. Dazu gehören Fragen wie: Gehe ich mit Gesuchen von ausländischen Forschenden anders um als mit solchen von Einheimischen? Oder kommuniziere ich mit Frauen anders als mit Männern? Und wir haben einen Fragenkatalog kreiert, der persönliche Vorurteile sichtbar macht – Vorurteile haben wir ja alle.

Zum Beispiel?

SH: Es ging darum herauszufinden, ob ich etwa eine junge Forscherin aus dem Ausland, die unsere Sprache nicht gut beherrscht, anders berate als einen Landsmann, der meinen Dialekt spricht. Dies war ein wichtiger erster Schritt, um unsere eigene Arbeit zu verbessern. In einem zweiten Schritt dann kamen die individuellen Beratungen für die Forschenden mit dem Thema «Wie schreibe ich einen erfolgreichen Antrag?». Zudem haben wir 30-minütige Sprechstunden geschaffen, in denen die Forschenden in ungezwungenem Rahmen und unverbindlich abklären können, ob sie für einen Grant in Frage kommen. Dieses Angebot wurde von sehr vielen Frauen genutzt, aber auch von Männern.

Wie viele Workshops haben Sie insgesamt durchgeführt?

MF: Es waren total 15. Dank dem enormen Fachwissen von EU GrantsAccess und dem UZH Grants Office von Dr. Beatrice Scherrer, was das Zeitmanagement mit all den übers Jahr verteilten Abgabeterminen anbelangt, konnten wir sie auch immer zum richtigen Zeitpunkt anbieten – von der Antragsschulung bis zum Interview-Coaching. Und die Resonanz überstieg alle Erwartungen: Wir hatten über 500 Teilnehmerinnen.

Gab es auch Schwierigkeiten?

SH: Nun, am Anfang des Projekts fragten Kollegen, ob es diese Art von Frauenförderung im Hochschulumfeld von heute denn überhaupt noch brauche. Doch die schieren Zahlen haben uns recht gegeben: Durch dieses Projekt haben sich mehr Frauen für einen Grant beworben und ihn auch bekommen – und dies ganz ohne Quoten, nur dank ihrer Exzellenz.

Können Sie diesen Erfolg in Zahlen fassen?

MF: Im Jahr 2020 haben insgesamt 15 Frauen an der UZH einen ERC-Starting-Grant-Antrag eingereicht. Im Jahr zuvor waren es noch zwei, 2018 drei. Und für Ambizione-Beiträge, ein Fördermittel des Schweizerischen Nationalfonds, haben letztes Jahr 27 Wissenschaftlerinnen an der UZH einen Forschungsantrag gestellt. 2019 waren es erst 15, im Jahr 2018 zwölf. Und: An der UZH gingen letztes Jahr zwei von drei ERC Starting Grants an Frauen. In den Jahren davor hatte oft keine Frau einen Grant erhalten.

Welche der eingeführten Angebote hilft den Nachwuchsforscherinnen denn nun am besten weiter?

MF: Wichtig ist, dass die Forscherinnen so früh wie möglich in ihrer Karriere den Überblick über mögliche Fördermittel erhalten. Denn Exzellenz allein reicht oft nicht, um einen Platz als Professorin zu bekommen. Nachwuchsforschende und Professuren bilden eine Pyramide – nicht alle schaffen es bis nach oben.

SH: Richtig, die Forscherinnen sollten von Anfang an eng beraten und unterstützt werden, damit sie trotz des grossen Wettbewerbs die Chancen wahrnehmen, einen Grant anzupeilen.

Werden die im Projekt entwickelten Massnahmen weitergeführt?

SH: Das Training um die Verhaltensmuster hat uns bei EU GrantsAccess schon sehr viel für unsere Beratungstätigkeit geholfen. Und die 30-minütigen Gespräche werden wir auf jeden Fall weiter anbieten – Frauen wie Männern.

MF: An der Universität Zürich wurden die ERC-Trainings ins Programm der geschlechtergerechten Nachwuchsförderung der Abteilung Gleichstellung und Diversität aufgenommen, also Kurse, die sich an junge Wissenschaftlerinnen richten. Weitere Aktionen wie etwa Panel-Diskussionen mit erfolgreichen Wissenschaftlerinnen werden vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen.

https://www.gleichstellung.uzh.ch/de/projekte/aktionsplan2017/projekt_2.html

Dr. Mihaela Falub and Sibylle Hodel
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